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Mein Hund ist stur!

„Der ist stur.“ „Der will mich ärgern.“ „Der will mich testen.“ Sätze wie diese haben wir alle schon gehört oder schon selber mal gesagt – mindestens aber mal heimlich gedacht. Da steht Fiffi vor uns, guckt uns „provozierend“ und „frech“ an und will sich partout nicht hinsetzen, obwohl wir laut und deutlich „Sitz“ gesagt haben. So, und jetzt haben wir den Salat, denn spätestens jetzt müssen wir höllisch aufpassen, dass Monseur nicht größenwahnsinnig wird und uns die Führung aus der Hand nimmt. Nicht, dass der zukünftig nur noch macht, was er will! …

 

Ja, so könnte man das betrachten. Durch die menschliche Brille eben, was bleibt uns auch übrig, schließlich sind wir Menschen und haben nur diese eine Brille. Wir sehen das Verhalten unseres Hundes, vergleichen dieses spontan mit uns gut vertrautem, menschlichem Verhalten und haben sofort die passende Interpretation zur Hand: Der ist stur. Der will mich ärgern. Der will mich testen. Kurzum: Wir vermenschlichen!

 

Vorschnelle Interpretation vernebelt den Blick

Leider hat das vorschnelle Interpretieren einige Nachteile. Der wichtigste hierbei ist, dass wir uns durch die vorschnelle „Verurteilung“ des Hundes den Blick verstellen für andere mögliche Interpretationen, die mindestens genauso zutreffen könnten.

 

Wenn der Hund sich z. B. nicht setzt, obwohl wir „Sitz“ gesagt haben, könnte das schließlich auch daran liegen, dass er uns nicht gehört hat. Er könnte Schmerzen haben. Oder die Wiese ist zu nass, und er hasst es, mit dem Hintern in einer Pfütze zu sitzen. Vielleicht setzt er sich aber auch nicht, weil es viel zu heiß und ziemlich uncool ist, sich die Eier auf dem Asphalt brutzeln zu lassen. Letztlich kann es natürlich auch sein, dass ein zuverlässiges Sitzen gar nicht trainiert wurde und er es schlicht nicht kann. Oder aber er fragt sich, warum er ständig für umme sitzen soll, wenn es doch zeitgleich viel mehr Spaß macht, nach Mäusen zu buddeln oder am Menschen hochzuspringen.

 

Ja, auch das könnten Gründe sein, warum Fiffi sich nicht setzt, obwohl wir es von ihm verlangen. Der Punkt ist: Wir wissen es schlichtweg nicht, denn der Hund kann es uns nicht sagen. Und wer weiß das schon, vielleicht setzt er sich nicht hin, weil er tatsächlich stur ist. Doch solange die Wissenschaft nicht nachgewiesen hat, dass es Sturheit auch unter Hunden gibt, bleibt dies eine vermenschlichende Mutmaßung, die uns zudem nirgends hinführt.

 

Denn was passiert eigentlich, nachdem ich Fiffi Sturheit konstatiert habe? Die meisten nehmen es als gegeben hin und geben auf, „da kann man eben nix machen“. Oder sie werden streng vor lauter Angst, ihr Hund übernähme nun den Chefsessel.

Was aber bringt es mir trainingstechnisch zu glauben, Fiffi sei ein sturer Bock? Genau nix!

Daten sammeln

Sammele ich aber erstmal ausreichend Daten wie aktueller Gesundheitsstatus, nasse Wiese, heißer Asphalt, Entwicklungs- und Trainingsstand etc., dann komme ich der Lösung meines Problems - denn ich will ja immer noch, dass Fiffi sich setzt - einen riesigen Schritt näher: Ich lasse ihn gesundheitlich durchchecken, gehe von der nassen Wiese oder dem heißen Asphalt herunter und versuche es einfach woanders nochmal; ich überdenke meine Belohnungen und belohne hochwertiger oder überhaupt mal, ich berücksichtige die Fähigkeiten des Gehirns während der schwierigen Jugendentwicklung oder ich mache mir einen klugen Trainingsplan und beginne, das zuverlässige Sitzen kleinschrittig und konsequent zu trainieren, statt „Sitz … sitz … sihiiitz …. Siiiiiiiitz … sitzen … sitz jetzt … SIIIITZ!“ zu leiern und Fiffi dabei spielend beizubringen, dass „Sitz“ sowohl Sitzen als auch Stehen bedeuten kann. Denn glaubt nicht, nur weil Fiffi „stur“ ist, dass er zeitgleich dabei nicht auch noch was lernt :) 

 

 

Jedes Verhalten wurde verstärkt!

Wir wissen also nicht wirklich, warum der Hund sich dem Signal verweigert. Eines aber wissen wir ganz sicher: Setzt er sich nicht, sondern bleibt er stehen, dann tut er dies ohne jeden Zweifel deshalb, weil das Verhalten „Stehen“ in irgendeiner Form verstärkt wurde. Stehen ist für ihn in diesem Moment aus Gründen, die nur er uns nennen kann, lohnenswerter. Es ist ein unumstößliches Lerngesetz, dass kein Verhalten gezeigt wird, wenn es sich nicht lohnt.

Und dieses geile Lerngesetz können wir uns zu Nutze machen!

Denn es liegt einzig an uns, die Bedingungen für den Hund so zu gestalten, dass das Sitzen - das hier natürlich nur stellvertretend für all die vielen anderen Verhalten steht, die wir uns tagtäglich von unseren „sturen“ Hunden so wünschen - als lohnenswerter empfunden wird als jedes andere Verhalten in dieser Situation und Umgebung.

 

Die Frage „Ist mein Hund stur?“ ist also irrelevant. Sie bringt uns nicht weiter. Die Frage muss vielmehr lauten: „Was kann ich tun, damit mein Hund das von mir geforderte Verhalten schnell und zuverlässig ausführt?“

 

Ein bisschen schade, oder? Stur wäre doch eigentlich so viel bequemer gewesen ;)