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Neulich in der Tierarztpraxis: Mögt ihr eure Hunde nicht?

Ich war neulich ein paar Tage lang jeden Tag, zum Teil mehrfach, beim Tierarzt. Was ich dort wieder erlebt habe, reicht mir für die nächsten 10 Jahre. Ich bin sicher, ich habe heute mehr graue Haare auf dem Kopf als vorher – und das lag nicht an meinem kranken Hund, sondern an meinen Beobachtungen dort und der Impulskontrolle, die ich aufbringen musste, um nicht auszurasten. Eigentlich ist es so, dass, wenn man sich dort ein paar Stunden ins Wartezimmer setzt und seine Mitmenschen beobachtet, man unweigerlich zu dem Schluss kommen muss, dass die meisten von ihnen ihre Hunde nicht besonders zu mögen scheinen. Wie sonst kann man das Verhalten der Menschen erklären?

 

Leere Wartezimmer sind selten - umso wichtiger ist es, sich um sein Tier zu kümmern!
Leere Wartezimmer sind selten - umso wichtiger ist es, sich um sein Tier zu kümmern!

Da sitzen die Leute mit ihren Hunden in engen Wartezimmern mit 7 anderen Hunde-, 3 Katzen- und 2 Mehrschweinchen-besitzer*innen dicht an dicht zusammen und erwarten, dass ihre Hunde gefälligst „brav“ zu sein haben.

Da stehen kleine Minihunde, die am ganzen Körper zittern, während Frauchen ungerührt ins Handy glotzt. Da nötigt Herrchen seinen Bernersennenhund immer wieder mit Gewalt in den Platz, obwohl dieser stark hechelt und von Unruhe erfüllt und OFFENKUNDIG viel zu aufgeregt ist, um sich locker hinzulegen, da ihm die Nähe der anderen Tiere augenscheinlich zu schaffen macht.

Da quasseln Menschen miteinander, von denen man annehmen könnte, sie seien die absoluten Hundeerziehungsexpert*innen, die gleichzeitig aber nicht mitzubekommen scheinen, dass der eine Hund den anderen unfreundlich bedrängt, so dass ersterer verzweifelt versucht, Schutz bei Frauchen zu finden, die ihm dies vor lauter Expertendaseinsdemonstration verweigert und ohne Aussicht auf Erfolg, dafür aber mächtig verbrettert „Sitz, sitz, SITZ, SIIITZZZZZZ“ verlangt.

 

Wie, bitte, soll sich ein Hund hinsetzen, wenn ihn ein anderer fixiert oder körperlich bedrängt????????

 

Leute, könnt ihr eure Hunde nicht leiden?

 

Ihr seid in der Tierarztpraxis. Da riecht es nach Stress, nach Krankheit und anderen Tieren. Da ist es eng und beängstigend! Eure Hunde sind mglw. krank und geschwächt; oder sie sind alt und gebrechlich; die meisten haben bereits schlechte Erfahrungen beim Tierarzt gemacht, sie haben ANGST – kurzum: Die Tiere fühlen sich dort furchtbar – wie man auch sehr deutlich an ihrem Ausdruck und Verhalten erkennen könnte, würde man sich die Mühe machen, mal hinzusehen, statt ins Handy zu schauen oder Pseudoweisheiten à la "Hach, ist meiner heute mal wieder dominant!" kundzutun.

Warum schaut ihr nicht genau hin?

Die wenigsten von euch werden Tierarzttraining gemacht haben, so dass eure Hunde gelernt hätten, die Situation „Tierarztpraxis“ entspannt durchzustehen. Sprich: Die meisten Hunde werden einer Situation ausgesetzt, mit der sie überfordert sind. Zusätzlich ist von ihrem Menschen keine Unterstützung zu erwarten. Denn statt zu helfen, ignoriert ihr eure kranken, zitternden, gestressten, ängstlichen Hunde und vernachlässigt eure Fürsorgepflicht. Ich muss es so sagen, und es tut mir nicht leid. Mir tun eure Hunde leid!

 

Dabei wäre es so einfach, den Stress zu minimieren:

  • Lasst eure Hunde im Auto warten bis sie dran sind (wenn sie sich im Auto wohl fühlen und es die Temperaturen zulassen!) oder wartet draußen im Freien, und nötigt sie nicht, in einem überfüllten Wartezimmer klarzukommen. Das ist Tierquälerei!
  • Nehmt kleine Hunde, die zittern und sich unwohl fühlen, einfach auf den Schoß, und ignoriert sie nicht mit den Worten „Ach, der zittert immer hier.“ Hallo???? 
    (Und NEIN: Trost und Zuwendung verstärkt NICHT Angst! Lasst euch diesen Unsinn nicht immer noch einreden. Googelt einfach mal "Social Support" und macht euch bitte schlau!)
  • Wenn ein Hund nicht sitzen oder liegen kann in dieser verdammt schwierigen Situation, dann lasst ihn doch einfach stehen und versucht nicht allen anderen Anwesenden zu beweisen, dass ein kleiner Cesar Millan in euch steckt. Das müsst ihr nicht! Der Typ ist nämlich sowieso nicht im entferntesten nachahmenswert!
  • Bietet euren Hunden Schutz! Streichelt sie beruhigend! Redet ruhig mit ihnen! Schenkt ihnen eure Aufmerksamkeit (statt eurem Handy)! Und NEIN, auch hierdurch wird Angst NICHT verstärkt!
  • Seid die Beschützer eurer Schutzbefohlenen: Tut alles, um ihren Stress und die Angst zu minimieren!

Das erstaunlichste an der ganzen Sache ist für mich immer wieder die Tatsache, dass sich die Hunde trotz der für sie schwierigen Situation furchtbar anstrengen und es ihren Menschen recht machen möchten. Sie geben sich solche Mühe, sich zurückzunehmen, obwohl die Aufgabe kaum zu bewältigen ist, stehen die Emotionen dem doch entgegen – doch ihre Menschen sehen und verstehen nicht.

Sie rucken, drücken, kicken, schimpfen, zischen…

Dabei liebt ihr eure Hunde in Wahrheit, ich weiß es. Aber das dürft ihr ihnen zeigen! Ihr dürft empathisch sein! Sogar, wenn andere Menschen in der Nähe sind und schlaue Ratschläge aus dem letzten Jahrhundert für euch parat haben 😉. Seid souverän gegenüber diesen Besserwisser*innen. Empathie zu zeigen ist eine Stärke, keine Schwäche!

 

Euren Hunden wäre damit sehr geholfen, und sie werden es euch danken!