Erfolg im Training hängt von sehr vielen Faktoren ab. Einer davon ist ein gutes und aufmerksames Leinenhandling. Es wird häufig völlig unterschätzt oder gar nicht wahrgenommen. Ein Fehler, der sich leicht vermeiden ließe.
Wer kennt das nicht: Leinensalat! Der Hund springt aus dem Auto und kaum ist die lange Leine dran, wickelt sich die Leine wie von selber um den Hund und verpackt ihn wie ein Weihnachtsgeschenk.
Ganz schlimm wird es, wenn mehrere Hunde mitgeführt werden, denn die verwickeln sich gerne auch mal gegenseitig. Die Hunde werden dann auf der Stelle aufgeregter und kläffen herum, weil ihr Bewegungsradius immer eingeschränkter wird, und uns entgleitet die Kontrolle über die Situation, wir geraten in Stress und nicht selten in genervte Stimmung.
Für frischgebackene Hundebesitzer ist das Handling mit der Leine ganz besonders schwierig. Die wuseligen Welpen sind Leinen nicht gewöhnt und im Nullkommanix sind Füße, Hals oder Körper umwickelt, und kaum hat man den Salat entwirrt, geht das Spiel von vorne los. Und so hängt man die meiste Zeit über dem Welpen und versucht, ihn von der dummen Leine zu befreien. Für manche ist dies dann der Ausschlag, lieber auf sehr kurze Leinen umzusteigen - was wiederum für viele Trainingsaufgaben, wie z. B. dem lockeren Leinegehen, kontraproduktiv ist, und für den Hund natürlich auch keinen Spaß bedeutet.
Wie wichtig es ist, die Leine so zu händeln, dass der Hund sich eben gar nicht erst einwickelt, wird sehr häufig unterschätzt bzw. nicht zur Kenntnis genommen, und so sieht man regelmäßig Hunde, denen die Leine irgendwo herumhängt, wo sie nicht hingehört: Um die Füße, um den Bauch, um den Hals.
Leinensalat bedeutet Stress
Eine umwickelte Leine aber bedeutet vor allem für den Hund Stress. Bitte, jetzt nicht die Augen rollen! Ich sehe es schon vor mir: "Mein Gott, davon stirbt doch keiner! Wo soll da Stress sein?"
Nun, den kann man sehr deutlich sehen, wenn man genau hinschaut. Meistens versuchen sich die Hunde selber zu befreien und werden dabei immer zappeliger und aufgeregter. Wenn der Mensch dann eingreift, tut er dies ganz häufig, in dem er sich über den Hund beugt, schnauft, spricht, fummelt, mglw. sogar mit der Leine schimpft - und in der ganzen Zeit steht der Hund ja nicht still, sondern zappelt noch schlimmer herum, weil ihm die ganze Prozedur ziemlich unangenehm bis hin zu bedrohlich erscheint. Allein dem Hund (meist eben unangekündigt, s. a. den Artikel Ankündigungen - sag es deinem Hund) eine Pfote hochzuheben, um die Leine darunter hervorzuziehen, ist für viele Hunde schon enorm nervend und unangenehm. Ist der Hund schließlich befreit, kann man in den allermeisten Fällen beobachten, dass er sich danach schüttelt. Kein Zufall! In diesem Fall ist Schütteln Stressabbau.
Stress hat negative Folgen
Jetzt könnte man sagen, "Na gut, hat er sich geschüttelt, ist doch alles wieder gut." Das wäre aber zu kurzfristig gedacht. Denn Stress bleibt selten ohne Folgen: Der Hund wird solche Situationen eher beginnen zu meiden, statt stillzustehen und sich helfen zu lassen. Sein Erregungsniveau wird definitiv irgendwo weiter oben sein - von "entspannt" Universen entfernt. Und das bedeutet, er ist in diesem Zustand in keinem, in dem er auch noch zuverlässig Signale ausführen kann. Wenn man ihm dann also auch noch ein "Sitz" oder "Steh" abverlangt, verwette ich mein opulentes Trainergehalt eines Monats darauf, dass er sich nicht hinsetzen oder ruhig stehenbleiben wird, es sei denn, er wird so gehemmt, dass er dies aus Angst vor weiteren unangenehmen Konsequenzen tun wird (und das schließen wir jetzt mal aus).
Wieso sollte er aber auch sitzen oder stehenbleiben? Die ganze Situation ist doch eher zum Weglaufen! Und wenn ich jetzt noch weitere 97 Male "Sitz" oder "Steh" rufe, habe ich zusätzlich den schönen Nebeneffekt, dass ich mir meine ordentlich trainierten Signale kaputt mache - dabei wünsche ich mir doch Signale, die auch in schwierigen Momenten funktionieren, oder nicht? Statt dass der Hund also weiterhin lernt, "Boah, Sitzen / Stehen ist toll, dafür bekomme ich was", lernt er, "Boah, Sitzen / Stehen ist auf keinen Fall immer toll, also werde ich es auch nicht immer machen, wenn es von mir verlangt wird, und schon gar nicht in dieser voll depperten Situation! So."
Gutes Leinenhandling verhindert Stress
Fakt ist, würde der Mensch an seinem Leinenhandling arbeiten, würde er das Verwickeln des Hundes vermeiden und aufmerksamer auf die Leine achten oder - wenn es denn doch mal passiert - aus dem Entpacken ein lohnenswertes Spiel statt eine bedrohliche Situation machen, das Anfassen oder Beinchen hochheben ankündigen, statt abrupt reinzugreifen, dann würden Trainingsübungen schneller funktionieren bzw. das Entwirren sehr viel stressfreier ablaufen, so dass der Hund sich auch viel schneller wieder konzentrieren und mitarbeiten könnte.
Viele merken den Leinensalat hingegen oft erst, wenn das Paket fest verschnürt ist, eine Leine aber, die den Fuß locker umwickelt, fällt häufig nicht auf - kann aber schon der Grund sein, warum etwas im Training nicht klappt.
Wenn du dich das nächste Mal also fragst, warum etwas nicht klappt, behalte mal das Leinenhandling im Hinterkopf. Es könnte eine von vielen Kleinigkeiten sein, die zum Misserfolg im Training beiträgt.
Entwirren als Trainingsaufgabe
Und wenn man jetzt dem Hund noch ein Signal für's Entwirren positiv (in dem man am besten während des Entwirrens ein paar Leckerlis füttert) auftrainiert, dazu noch darauf achtet, sich nicht ganz so bedrohlich über ihn zu beugen und dazu zu schnaufen wie eine Dampflok aus dem 19. Jhdt., dann bekommt man einen Hund, der z. B. auf das Signal "Anfassen" oder "Leine" ganz gelassen und entspannt stehenbleibt, bis er vom Leinensalat befreit wurde. Und der danach ruckzuck wieder voll bei der Sache ist, seine Übungen motiviert und voller Freude durchzuführen.
Eine gaaaaanz einfache Sache mit einer riiiiiesen Wirkung! Probiert's mal aus!