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Fragen, die die Welt bewegen: Will mich mein Hund kontrollieren? (Teil 2)

Alles unter Kontrolle! Die Weltordnung ist wieder hergestellt.
Alles unter Kontrolle! Die Weltordnung ist wieder hergestellt.

Es ist möglich, dass der Hund uns anstarrt und bellt, weil er gelernt hat, dass er damit zum Erfolg kommt und seine Kaustange bekommt. Es kann sein, dass er alle möglichen angenehmen und unangenehmen Verhaltensweisen ausprobiert, um an die Kaustange zu kommen, weil er gelernt hat, dass es um diese Uhrzeit gewöhnlich eine Kaustange gibt, und er seiner - von uns anerzogenen - Erwartungshaltung und seinem Frust, bedingt durch die Verzögerung, in irgendeiner Weise Ausdruck verleihen muss.

Es könnte auch sein, dass der Hund einen anderen unterbuttert, weil dieser ihm zu nah kam, weil er sich bedrängt fühlte, weil alle höflichen Versuche, sich einen anderen Hund vom Hals zu halten, in seinem bisherigen Leben nicht gefruchtet haben, so dass er wieder gelernt hat, dass er viel erfolgreicher ist, wenn er sich vehementer verhält.

Es kann sein, er lässt den anderen Hund nicht in die Küche, weil die Küche für ihn eine wichtige Ressource bedeutet, die er ungern teilen möchte.

Vielleicht scannt er die Umwelt und „kontrolliert“ sie, weil er sich unsicher fühlt und fürchtet, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt.

 

Warum simpel, wenn's auch komplex geht?

Das alles kann sein. Auch das wissen wir nicht, denn der Hund kann nicht sprechen. Wir können ihn nur beobachten und unsere Rückschlüsse ziehen. Die Interpretation „der will mich kontrollieren“ ist zugegebenermaßen eine verführerische, denn sie erscheint simpel und lange nicht so komplex wie eine Interpretation auf Basis von Datensammlung und Ursachenforschung. Und simpel mögen wir’s ja öfters ganz gerne, oder? Aber seit wann ist irgendetwas im Leben simpel??? ;)

 

In meinen Gedankengängen kommt das Thema „Kontrolle“ schlichtweg nicht vor, denn zum einen fühle ich mich von meinen Hunden niemals kontrolliert, so wenig, wie ich mich von anderen Menschen kontrolliert fühle, da ich sowieso mein Ding mache. Zum anderen bringt es mich einfach nicht weiter. Säße ich z. B. auf dem Klo und fühlte mich unwohl, wenn meine Hunde daneben lägen, wäre die einzige Frage, die ich mir stellen würde, was ich tun könnte, um das Verhalten zu verändern. Ich würde sie beim nächsten Mal also einfach aussperren oder vielmehr ihnen beibringen, entspannt im Körbchen zu liegen, sobald ich aufs Klo ginge. Doch es geht mir im wahrsten Sinne am „Arsch vorbei“, ob meine Hunde mit im Klo liegen und vor allem auch, warum sie es tun, denn offensichtlich geraten sie dort nicht in Stress, es geht ihnen gut. Und mir auch, ganz nebenbei...

Datensammlung statt Schublade

Statt darüber zu sinnieren, ob meine Hunde mich kontrollieren wollen, frage ich mich, ob mich ein Verhalten stört. Wenn ja, dann überlege ich mir, wie ich meinen Hund sinnvoll trainieren kann, es nicht mehr zu tun.

 

Und selbstverständlich spielt dabei die hinter dem Verhalten liegende Emotion eine wesentliche Rolle. Natürlich kann mir der Hund diese ebenfalls nicht benennen. Aber ich kann mir Mühe geben und versuchen, sie über die Kenntnisse der hundlichen Körpersprache herauszufinden. Denn diese liefert mir eine Menge Signale, die dann eine einigermaßen valide Interpretation zulassen würde.

 

Folgt mein Hund mir aufs Klo, weil er Trennungsstress oder weil er Langeweile hat? Zwei sehr unterschiedliche Motivationen, die in unterschiedlichen Emotionen begründet sind, sich in unterschiedlichen Körpersprachedisplays äußern und die demnach auch unterschiedliche Trainingsansätze nach sich ziehen würden.

Die Frage, ob mich der Hund kontrollieren will, bietet mir hingegen überhaupt keinen Mehrwert, maximal eine bequeme Schublade, in dem ich ihn unterbringen kann. 

Zudem ist das Wort in unserer Welt sehr negativ belegt, und im Falle der Hundeerziehung geht es fast immer mit einer aversiven Vorgehensweise einher – ebenso wie die schon o. g. Unterstellung der Dominanz oder Sturheit. Man zwingt den Hund über Strenge, Ängstigung, Hemmung oder Druck sein Verhalten aufzugeben mit dem Ziel, ihn dem Willen des Menschen zu unterwerfen. Allein schon deshalb ist das Wort aus meinem Sprachschatz verbannt.

 

Pöbelt also der Hund andere an, dann versuche ich zunächst zu verstehen, warum er das tut. Dann sorge ich für gute Trainingsbedingungen und trainiere ihm ein Alternativverhalten an, mit dem er sich für alle Beteiligten stressfreier andere Hunde vom Hals halten kann.

Stört mich, dass meine Hunde ihre Kaustange lautstark einfordern, dann bringe ich ihnen bei, sich statt dessen ins Körbchen zu legen und Ruhe zu geben.

Möchte mein Hund einen anderen aus der Küche fernhalten, dann arbeite ich an seinem Ressourcenproblemchen.

Stört mich, dass mein Hund sich auf meine Füße stellt, dann bringe ich ihm bei, dass es sich ebenfalls für ihn lohnt, daneben stehenzubleiben oder ziehe ihm Winterstiefel an.

Und nervt es mich, dass mein Hund permament die Gegend scannt, dann analysiere ich, ob er sich vielleicht unsicher fühlen könnte und gebe ihm mehr Sicherheit, damit er sich wohler fühlen kann.

 

So komplex ist die ganze Angelegenheit jetzt eigentlich auch nicht. Und ICH persönlich lebe viel beruhigter, wenn ich mich gar nicht erst mit der Sorge plagen muss, ob mich mein Hund kontrollieren möchte und kurz vor Übernahme der Weltherrschaft steht ;)