Gestern beim Gassi kam uns ein vielleicht 12-jähriges Mädchen mit einem Yorkshire entgegen. Schon von Weitem ohne Brille konnte ich an der sich mir bietenden Silhouette erkennen, was als nächstes passieren wird: Der Yorkshire wurde angesichts meines Hundes und mir erst langsamer, dann fing er an zu fixieren, und als wir näher kamen, schnappte die Flexileine mit dem Hündchen dran auf kurze 50 cm zusammen, der Yorki fing an zu toben und sprang auf zwei Beinen an uns vorbei. Ich hörte ihn noch weit hinter uns aufgebracht bellen. Solche Szenen sind normale Alltagssituationen, ihr habt selber bestimmt schon mal Ähnliches beobachtet und vielleicht sogar darüber geschmunzelt: "Immer diese größenwahnsinnigen Minikläffer!".
Doch nur weil unser Auge etwas als normal einstuft, muss es nicht automatisch auch richtig sein!
Kleine Hunde ohne Lobby
Mal ganz ehrlich, wärt ihr gerne ein kleiner Hund in unserer Gesellschaft? Also, ich nicht. Es gibt kaum eine lobbylosere Art von Hunden, die so sehr in ihren Bedürfnissen ignoriert wird und täglich tausende Ängste ausstehen muss, ohne dass es überhaupt irgendjemandem auffallen würde – schließlich sind kleine Kläffer doch normal!?
Kleine Hunde werden gekauft, weil sie so schön klein sind. Handlich. Niedlich. Händelbar. Sogar von Kindern. Für Kinder. Kleine Hunde sind Spielzeug und Stofftierersatz von (Klein-)Kindern, Kinder gehen mit kleinen Hunden „gassi“ und zerren den kleinen Hund dann schon mal achtlos herum, weil sie gerade von spannenderen Sachen abgelenkt werden. Kleine Hunde sind Schoßhunde, ob sie wollen oder nicht.
Kleine Hunde werden in Taschen gesteckt, ihrer Lust und Fähigkeit über Stock und Stein zu rennen und laufen beraubt, kleine Hunde werden praktischerweise einfach an der Leine nach oben gerissen, wenn ein größerer Hund kommt, ein Auto oder ein Jogger, den der Kleine vor lauter Angst gerne verspeisen würde.
Die ärmsten Schweine unter den Hunden
Kleine Hunde werden gegängelt, übersehen, hochgelupft, zwangsbeschmust, bedrängt, an Flexileinen durch die Gegend geschleudert, nicht erzogen und nicht gefördert, weil sie ja so einfach zu "managen" sind. Ein kleiner Hund braucht nichts zu können, den kann man einfach so unterbuttern.
Die Hölle auf Erden
Ich sage es deutlich: Ein kleiner Hund zu sein, ist in vielen Fällen die Hölle auf Erden! Denn so ganz nebenbei lernt der kleine Hund, Angst zu haben vor ALLEM: Vor großen Händen, die ihn packen, vor Kindern, die ihn herumschleppen, vor anderen Hunden, die ihn überrollen, vor anderen Menschen, die ihn ungefragt begrapschen, weil er so süß ist, vor Autos und Fahrrädern, die so schnell an ihm vorbeirauschen, vor Menschenmassen, die ihn übersehen und auf ihn drauftreten. Ein Leben voller Angst, Wut und unbefriedigter Bedürfnisse, weil in das Bewusstsein unserer Gesellschaft bisher nicht vorgedrungen ist, dass er ein Hund ist, wie jeder andere – nur kleiner.
Kleine Hunde werden so behandelt, weil sie klein sind, weil sie nicht mal einem Kleinkind körperlich etwas entgegenzusetzen hätten. Ein kleiner Hund wird zum Kläffer und Beißer erzogen. Was soll er denn sonst auch tun? Ihm wird jede Möglichkeit eines entspannten, freudvollen Lebens genommen.
Das Mädchen gestern wäre von seinen Eltern mit einem Labrador niemals allein zum Gassigehen geschickt worden. Und wenn doch, gäbe es bestimmt einige, die sich darüber echauffiert hätten. Wie soll auch ein körperlich unterlegenes Kind einen kräftigen Hund halten? Beim kleinen Kläffer an der Leine irritiert das niemanden. Und niemand sieht den maximalen Stress, den der Hund zigfach am Tag durchleiden muss. „Das ist doch kein Hund“ höre ich stattdessen andere öfters verächtlich äußern. Doch, Leute, es ist ein Hund! Mit Emotionen und Bedürfnissen wie bei jedem anderen Hund auch.
Dem Mädchen war peinlich, dass ihr Hund so tobte. Ich verstehe das. Sie war überfordert. Ihre Lösung war, den Kleinen an superkurzer Leine auf zwei Beinen nicht an uns herankommen zu lassen und ansonsten darauf zu hoffen, bald an uns vorbei zu sein. Doch was würde das Mädchen tun, wenn sich ein unangeleinter Tutnix auf das Hündchen stürzen würde?
Aufklärung tut Not!
Kleine Kläffer führen ein Leben in Dauerstress und kaum einer erkennt das. Aufklärung tut bitter Not! Kleinhunde müssen noch mehr als andere geschützt werden, weil sie ansonsten untergehen und dann eben zum unliebsamen Kläffer mutieren.
Schaut mal bewusst hin. Dann seht ihr, was ich sehe. Und allein das wäre ja schon mal ein erster Schritt...